
Urteile
Hier finden Sie Urteile aus dem Arbeitsrecht
Wir möchten Sie darauf aufmerksam machen, dass die Inhalte in einem Urteil keine juristische Beratung ersetzen können. Jeder Sachverhalt ist individuell zu bewerten und auch, ob das Urteil auf Ihren persönlichen Sachverhalt zutrifft.
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Sachlicher Grund für eine Befristung nach § 14 I 2 Nr. 7 TzBfG
BAG, Urteil vom 23.5.2018 – 7 AZR 16/17
Ein sachlicher Grund zur Befristung eines Arbeitsverhältnisses liegt vor, wenn der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind und der Arbeitnehmer entsprechend beschäftigt wird. Dazu müssen die Haushaltsmittel für die befristete Beschäftigung ausgebracht sein.Der Vermerk „künftig wegfallend“ im Haushaltsplan genügt nicht.
Die Frage wurde vor dem EuGH noch nicht entschieden.
Gestaltungsmissbrauch bei Vertretungsbefristung
BAG, Urteil vom 29. 4. 2015 - 7 AZR 310/13
Eine Beschäftigung über 15 Jahre auf Grund von zehn befristeten Arbeitsverträgen ist nicht rechtsmissbräuchlich, wenn der Arbeitnehmer während der gesamten Zeit unmittelbar eine auf Grund Mutterschutz, Elternzeit und Sonderurlaub abwesende Arbeitnehmerin vertreten hat.
Ein Gestaltungsmissbrauch ist bei Kettenbefristungen nur schwer nachzuweisen . Im Ergebnis müssen betroffene Arbeitnehmer nachweisen, dass ihr (vertretungsweiser) Einsatz der Deckung eines unbefristeten Dauerbeschäftigungsbedarfs dient und das Argument der „Vertretung” nur vorgeschoben ist. Das ist regelmäßig nicht der Fall, wenn sich die Arbeitstätigkeit einem bestimmten vorübergehend ausgefallenen Arbeitnehmer zuordnen lässt. Tendenziell einfacher dürfte der Nachweis im Fall so genannter mittelbarer Vertretungen gelingen, bei denen der Arbeitgeber der Tätigkeit des Vertreters lediglich einen rechnerisch ermittelten „Vertretungsbedarf” im (gesamten) Unternehmen gedanklich zuordnet.
Betriebsratsanhörung – Zurückweisung nach § 174 BGB
BAG, Urteil vom 13. 12. 2012 - 6 AZR 348/11
Der Betriebsrat kann die Anhörung zu einer beabsichtigten Kündigung durch einen Boten oder Vertreter des Arbeitgebers nicht analog § BGB § 174 S. 1 BGB zurückweisen.
Attest ab dem 1. Tag - BAG, Urteil v. 14.11.2012 - 5 AZR 886/11
Das Recht des Arbeitgebers aus § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG, bereits ab dem ersten Krankheitstag eine AU-Bescheinigung zu verlangen, steht in seinem freien Ermessen, das an keine besonderen Voraussetzungen gebunden ist.
Private Trunkenheitsfahrt eines Kraftfahrers als Kündigungsgrund? - LAG Hessen, Urteil v. 01.07.2011, 10 Sa 245/11
Ein Kraftfahrer, der seine Fahrerlaubnis aufgrund einer privaten Trunkenheitsfahrt verliert, muss mit einer fristgemäßen oder fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechnen, da ihm die Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung unmöglich geworden ist. Besonders unverantwortlich ist es für einen Berufskraftfahrer, sich nach gerade überstandener schwerer Erkrankung und mit extremem Untergewicht alkoholisiert in den Straßenverkehr zu begeben. Für die soziale Rechtfertigung der Kündigung kommt es auf den Zeitpunkt des Zugangs an.
Zugang eines Kündigungsschreibens an Arbeitnehmerin bei Übergabe der Kündigung an den Ehegatten außerhalb der Wohnung? - BAG, Urteil v. 9.6.2011 - 6 AZR 687/09
Wird ein Kündigungsschreiben dem Ehemann einer Arbeitnehmerin übergeben, so fungiert dieser als Empfangsbote. Das gilt selbst dann, wenn das Schreiben dem Ehemann an seinem Arbeitsplatz in einem Baumarkt übergeben wird. Das Schreiben geht dann zu dem Zeitpunkt der Arbeitnehmerin zu, in dem unter gewöhnlichen Verhältnissen mit der Weitergabe der Erklärung zu rechnen ist, also am selben Abend mit der Rückkehr des Ehemannes in die gemeinsame Ehewohnung.
Sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG und "Zuvor-Beschäftigung" - BAG, Urteil v. 06.04.11 - 7 AZR 716/09
Die Befristung eines Arbeitsvertrags ist gem. § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG bis zur Dauer von zwei Jahren ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes zulässig. Eine befristete Anstellung ist jedoch gem. § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG nicht möglich, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Diese Vorschrift soll im Wesentlichen Befristungsketten und den Mißbrauch befristeter Arbeitsverhältnisse vorbeugen.
Nach dem - in Fachkreisen bahnbrechenden - Urteil des BAG vom 06.04.2011 liegt eine „Zuvor-Beschäftigung" im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht mehr vor, wenn das frühere Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre zurückliegt. Bislang dufte gar keine "Zuvor-Beschäftigung" - also zeitlich unbegrenzt - bestehen. Kritische Stimmen sahen darin ein Einstellungshindernis, denn insbesondere sehr große Arbeitgeber konnten bei einer sachgrundlos befristeten Anstellung eines Arbeitnehmers kaum ausschließen, ob nicht irgendwann zuvor – z.B. im Rahmen einer studentischen Tätigkeit o.ä. - schon einmal ein Anstellungsverhältnis bestand. Die Entscheidung des BAG vom 06.04.2011 schafft nun Rechtssicherheit.
Außerordentliche Kündigung nach missbräuchlicher Verwendung produktbezogener Gutscheine - BAG, Urteil v. 16.12.2010 - 2 AZR 485/08
Eine strafbare Handlung zulasten des Arbeitgebers bei einem privaten Einkauf kann eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Eine Abmahnung kann bei Erkennbarkeit der Schwere der Pflichtverletzung und einem Ausnutzen geringer Überwachungsmöglichkeiten entbehrlich sein. Eine rechtswidrige Videoüberwachung schließt die Berücksichtigung unstreitiger Tatsachen, die aus einer anderen Informationsquelle ohne Rechtsverstoß gewonnen wurden, im Prozess nicht aus.
Weihnachtsgratifikation trotz vertraglich vereinbartem Freiwilligkeitsvorbehalt? BAG , Urteil v. 8.12.10, Az. 10 AZR 671/09
Wenn ein Arbeitgeber mehrere Jahre lang ein Weihnachtsgeld an einen Arbeitnehmer auszahlt, ohne bei der Zahlung deutlich eine Bindung für die Zukunft auszuschließen, kann der Arbeitnehmer aus diesem regelmäßigen Verhalten grundsätzlich schließen, der Arbeitgeber wolle sich dauerhaft verpflichten. Eine unklare oder intransparente allgemeine Klausel im Arbeitsvertrag kann das Entstehen eines zukünftigen Rechtsanspruchs nicht hindern.
Zwar mag ein im Arbeitsvertrag klar und verständlich formulierter „Freiwilligkeitsvorbehalt“ einen zukünftigen Anspruch auf eine Sonderzahlung ausschließen. Allerdings darf dieser Vorbehalt nicht mehrdeutig, sondern muss klar und verständlich iSd. § 307 BGB sein. Die in dem vorliegenden Fall im Arbeitsvertrag verwendete Klausel war nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts jedoch unklar und nicht eindeutig formuliert. Sie war nicht geeignet, das mehrfache, tatsächliche Erklärungsverhalten des Arbeitgebers hinreichend zu entwerten.
Kündigungsrecht bei Kurzarbeit - LAG Hamm, Urteil v. 24.6.10, Az. 8 Sa 1488/09
Auch nach Einführung von Kurzarbeit sind betriebsbedingte Kündigungen nicht ausgeschlossen, wenn die erwartete Stabilisierung der Auftragslage ausbleibt. So das Landesarbeitsgericht Hamm in seiner Entscheidung vom 26.06.2010.
Bonusanspruch aufgrund konkludenter Abrede? BAG, Urteil v. 21.4.2010, Az. 10 AZR 163/09
1. Die mehrfache Zahlung eines jährlichen Bonus auch in unterschiedlicher Höhe ohne erkennbare Regelhaftigkeit, kann einen Anspruch des ArbN auf Zahlung durch schlüssiges Verhalten des ArbG begründen.
2. Zumindest eine Zusage dem Grunde nach kommt in Betracht, da die Höhe der Bonuszahlung typischerweise von Voraussetzungen wie dem Betriebsergebnis oder der persönlichen Leistung des ArbN abhängt und daher schwankt.
3. Bei Annahme einer konkludenten Abrede auf Bonuszahlung dem Grunde nach kann gegebenenfalls durch das erkennende Gericht die Höhe nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB zu bestimmen sein.
Widerruf einer Dienstwagennutzung? BAG, Urteil v. 13.4.2010, Az. 9 AZR 113/09
In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber in einer sogenannten Car-Policy genau festgelegt, welche Arbeitnehmer-Gruppen grundsätzlich zur Dienstwagennutzung berechtigt sind. Ferner hatte der Arbeitgeber die Berechtigung daran geknüpft, dass die Dienstwagennutzung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvoll ist, was jährlich zu überprüfen war. Kam diese Überprüfung zu dem Ergebnis, dass die Überlassung eines Dienstwagens nicht mehr ausreichend wirtschaftlich ist, sollte der Dienstwagen zurückverlangt werden.
Nach einer derartigen Wirtschaftlichkeitsprüfung entzog der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Dienstwagen. Die Prüfung ergab, dass das Fahrzeug nur an 55 Reisetagen mit insgesamt etwa 29.000 km genutzt wurde. Der Arbeitgeber war ursprünglich von 166 Reisetagen und etwa 50.000 km Fahrleistung pro Jahr ausgegangen. Das BAG entschied, dass der Widerruf der Dienstwagennutzung unwirksam war.
Rücktrittsrecht beim Aufhebungsvertrag? LAG Düsseldorf, Urteil v. 20.1.10, Az. 12 Sa 962/09
Ein Arbeitnehmer kann nach dieser Entscheidung von einem Aufhebungsvertrag zurücktreten (gesetzliches Rücktrittsrecht, § 323 BGB), wenn die im Aufhebungsvertrag vereinbarte Abfindung nicht gezahlt wird. Dieses Rücktrittsrecht ist nach einer Entscheidung des LAG Düsseldorf auch dann nicht ausgeschlossen, wenn das vorläufige Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet wird.
Dienstwagennutzung bei Arbeitsunfähigkeit ? LAG Köln, Urteil v. 29.10.09, Az. 7 Sa 788/09
Die Gestattung der Nutzung eines Dienstwagens „auch“ für private Zwecke gehört zu dem fortzuzahlendem „Arbeitsentgelt“ im Sinne von § 4 EFZG. Daraus folgt nach einer Entscheidung des LAG Köln, dass der Arbeitnehmer bei einer länger andauernden Arbeitsunfähigkeitsperiode auch nur solange verlangen kann, dass ihm das Dienstfahrzeug zur weiteren privaten Nutzung zur Verfügung gestellt wird, solange er Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall beanspruchen kann. Ausnahme: Die Parteien haben vertraglich insoweit eine andere Regelung getroffen.
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